Presse
Berliner Zeitung 17.2.02 S.28
Frau trägt, worauf der Fahrgast sitzt
Gisela Seppeler schneidert Kostüme und Röcke aus Sitzbezügen der BVG-Busse
von Petra Ahne
Es gibt ja wenig Gründe, einem Bus ähnlich sehen zu wollen. Gisela Seppeler meint, sie hat einen gefunden: Er ist rot-schwarz-orange kariert, aus filziger dicker Wolle und man sitzt beim Busfahren drauf. Die 42-Jährige ist der Meinung, dass die Sitzbezüge der Fahrzeuge der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sich wunderbar eignen, um daraus Kostüme, Hüte, Taschen und Pantoffeln zu schneidern. Jetzt hat sie ihre erste Kollektion fertig gestellt.
Man sieht ihren Stücken nicht an, welch profane Aufgabe die Stoffe sonst erfüllen. Die Hüte in Topfform sitzen kleidsam auf dem Kopf, bei dem gewagteren Pagodenhut sind drei nach oben kleiner werdende Töpfchen aufeinander gestülpt. Die Miniröcke betonen keck den Po.
Das auffälligste Teil der Kollektion: das BVG-Kostüm im Chanel-Stil. Die Jacke in der klassischen Kastenform, kragenlos, mit großen runden Goldknöpfen. Der enge,Rock endet kurz überm Knie.
Elegantes Ensemble
Ein elegantes Ensemble, etwas sperrig nur der Stoff: die Jacke steht hinten etwas ab, der Reißverschluss am Rock wölbt sich ein wenig nach außen. Robust muss eben sein, was über Jahre das Gewicht von Fahrgästen aushallen muss, wo Schuhe und Einkaufstüten abgelegt werden, sich Hundeschnauzen reiben. Die Gebrauchsspuren bleiben den Trägerinnen von Gisela Seppelers Mode erspart: Sie bekommt von der BVG neue Stoffe. Vor acht Jahren habe sie schon die Idee gehabt, sich aus den Sitzbezügen ein Kostüm zu schneidern, sagt Gisela Seppeler.
Da saß sie im Bus und die Sonne ließ die Sitze so schön leuchten. Vor zwei Jahren schrieb sie zum ersten Mal an die Berliner Verkehrsbetriebe und erbat eine Stoffprobe, ein Jahr später bekam sie acht Meter des dezent gemusterten Materials zugestellt. Es taugte mehr dazu, zu Kleidern verarbeitet zu werden, als sie vermutet hatte: Plastik ist gar nicht enthalten, sondern zu 85 Prozent Wolle. Eine normale Nähmaschine kommt zwar nicht durch den dicken Stoff, eine für Leder aber schon. Gisela Seppeler, die eigentlich Anwältin ist, zeigte ihre Prototypen den Verkehrsbetrieben. Die fanden sie auch schön und verkauften ihr gleich noch mal 200 Meter Stoff, aus denen Gisela Seppeler eine kleine Serie fertigen ließ. Weiter ging die Kooperation bis jetzt noch nicht, obwohl die BVG bereits mit einer Unterwäsche-Kollektion durchaus erfolgreich in der Modebranche Fuß gefasst hat. Zum 100. Geburtstag der BVG in diesem Jahr ist eine Modenschau mit der Bus- Mode geplant. Verkauft werden die Stücke bis jetzt in den zwei Geschäften der Firma Rodan, die die Teile auch produziert und in einer Kreuzberger Boutique. Die Pantoffeln macht die traditionsreiche Firma Jünemann, die an der Torstraße ihren Laden hat. Sie sind mit 25 Büro pro Paar der günstigste Teil der Kollektion. Das Kostüm, in dem die Designerin am liebsten Geschäftsfrauen sehen möchte, kostet 450 Euro - Haute Couture aus Sitzbezügen.
Als Nächstes will Gisela Seppeler die Londonerin in den Farben des öffentlichen Nahverkehrs kleiden. Über eine erste Lieferung des pflaumenblauen Plüsch verhandelt sie bereits mit der Londoner U-Bahn.